Lichtenfels. Oder Schweiz? Ruhrpott? Hamburg? Oder Bella Italia – ja, wo denn nun?

Ein außergewöhnliches Erlebnis war unser Besuch bei den „Eisenbahnfreunden Lichtenfels e.V.“ im Rahmen unseres Vereins-Ausfluges 2024.

Warum Lichtenfels?

Kontakte wurden geschlossen beim Ausflug 2023 im Hans-Peter-Porsche-Traumwerk. Die Lichtenfelser trafen wir beim Mittagessen im Garten des Ausstellungsgeländes. Insbesondere Vater und Sohn Sünkel aus unserer Gruppe (Lichtenfels ist ihr Heimatort) erkannten die Landsleute an der oberfränkischen Mundart, kamen ins Gespräch, und vertieften schließlich Wochen später den Kontakt bei einem spätherbstlichen Heimatbesuch. Hier kam der Gedanke auf, dass „die Lechfelder“ doch „die Lichtenfelser“ mal besuchen könnten.

Also machten sich 15 Vereinsmitglieder auf den Weg (über diesen gibt es in einem eigenen Artikel – „Wenn einer eine Reise tut…“ – manches zu lesen) nach Oberfranken.

Nach erfolgter überaus leckerer Stärkung im „Gasthaus Wallachei Fam. Kotschenreuther“, dem Vereinslokal der Lichtenfelser, in dem 1983 die Eisenbahnfreunde gegründet und danach erste Ausstellungen der Öffentlichkeit gezeigt worden waren, zogen wir durch die Lichtenfelser Innenstadt zum ehemaligen Bundesbahn-„Stellwerk 5“, dem Domizil der Lichtenfelser.

Dieses dreistöckige Stellwerk unmittelbar an den nordöstlichen Ein- und Ausfahrgleisen des Lichtenfelser Bahnhofes konnte der Verein – welch ein Glücksfall – quasi gleich zu Anfang seiner Tätigkeiten erwerben, als es 1984 abrissgefährdet von der Bundesbahn veräußert wurde. Umgebaut in ganz viel Eigenleistung zu einem Vereinshaus mit langgestreckten Räumen für Anlagen im Erdgeschoß und im 1. Stock, beherbergt es „ganz oben“, wo die weiten Fenster einen herrlichen Ausblick auf Bahnhof, Stadt Lichtenfels und Umgebung ermöglichen, das „Vereinszimmer“: den einladenden Aufenthaltsraum samt Kochnische.

Mit diesem Domizil hatten die Lichtenfelser natürlich von Anfang an hervorragende Möglichkeiten zum Anlagenbau, gebäudlich erweitert nach Jahren durch einen einstöckigen Anbau für eine Verlängerung der Erdgeschoß-Anlage: diese interessante Ruhrgebiets-Anlage in H0 zeigt das Thema „Hochofen“ samt simulierbarem leuchtend-rauchendem „Anstich“ desselben! Und dies in so detailreicher Darstellung, dass man nur staunen kann. Liebevoll, verspielt, bis ins Einzelne präzise dargestellt, mit verschlungenen Fahrwegen und herrlichen Zugzusammenstellungen ist diese Anlage ein Augenschmaus. Doch selbst der kann getoppt werden – die Fortführung erreicht ein großen Betriebswerk mit Dreiviertel-Rundlokschuppen, samt Umfahrungen, welche dann letztlich in einen Seitenbereich führen, der noch mehr erstaunt: unter einem wunderbar und akribisch-künstlerisch angelegten LED-Sternenhimmel mit mehreren Metern Länge ist eine winterliche Landschaft zu sehen samt alpiner Bergpiste und einem – auf Laptop-Monitor dargestellten – Festfeuerwerk. Nach Belieben kann vor der um kreativ-realistische Bemalung mit einem Horizontbild ergänzten Kulisse ein Gewitter mit Donner und Blitz stattfinden, das an Realismus seinesgleichen sucht und Vergleiche mit den „Über-Vätern“ im Miniaturwunderland Hamburg keineswegs scheuen muss!

Im ersten Stockwerk fanden wir uns mit einem Mal in der Schweiz wieder! Die Länge des Raumes läßt eine auf insgesamt 22m langgestreckte Anlage in U-Form mit schmalen Schenkeln zu, die im Maßstab 1:87 (H0 DCC analog) die berühmte „BLS“ (Bern-Lötschberg-Simplon Bahn) zeigt. Auch hier die Akribie der Darstellung, die feinen Details, die tolle Steuertechnik… wir konnten gar nicht genug staunen und uns wundern. Unsere „alten Hasen“ nutzten selbstverständlich die Gelegenheit zum Blick hinter bzw unter die Kulissen, zum Fragen und Fachsimpeln… und wer weiß: manche Anregung konnte wohl mitgenommen werden… optisch wie technisch.

Die Jugend der Lichtenfelser war da und beteiligte sich an der Steuerung dieser Anlage im Analogverfahren per Knopfdruck-Stellwerke: versiert, routiniert, und engagiert. Es machte ihnen sichtlich Spaß.

Da die Lichtenfelser nun ja (im Gegensatz zu uns 15jährigen Lechfelder „Pubertierlingen“) schon ein erwachsener Verein mit 41 Jahren sind, und damit im besten Alter, sind sie natürlich in der Anlagenfülle schon ein ganzes Stück weiter als wir. Denn nicht nur die Hochofen- und die BLS-Anlage nennen sie ihr Eigen: es gibt noch mehr zu sehen. Denn es gibt noch mehr Räume.

Dazu aber hieß es das Stellwerksgebäude über einen Seitenausgang zu verlassen und 30 Schritte über die Gassenstraße hinweg zu gehen: in die jüngst neugebaute Modellbahnhalle, ein in Holz-Metallbauweise errichtetes 2stöckiges Gebäude. Es herrschte für den Verein halt akute Platznot und man wußte nicht wohin mit neuen Anlagen. Unmittelbares An- oder Aufbauen am Stellwerk-Ensemble war leider nicht mehr möglich – und so war das kleine nahe Grundstück erneut ein Glücksfall für den Verein, das schließlich (wieder mit viel Eigenleistung) mit dieser Halle bebaut werden konnte. Sie beherbergt (neben einer charmanten kleinen Tropicana-Bar gleich gegenüber dem Eingang) im Erdgeschoß eine ca 11 qm große H0-Anlage mit italienischen Motiven. Es ist eine der frühen Anlagen des Vereins, lange eingelagert, die nun natürlich erkennbar im restaurationsbedürftigen Zustand ist, aber dank der neuen Halle eben nun wieder zugänglich und einsetzbar – und damit zum Kümmern und Pflegen motiviert. Erste Anfänge ahben stattgefunden, Fahrbetrieb ist rudimentär bereits möglich.

Auch eine Spur1-Anlage findet sich, wenn auch ebenfalls im „Restaurier-Zustand“: sie ist eine Gabe des nicht mehr existenten Vereins der Ludwigsstädter Eisenbahnfreunde. Ludwigsstadt, knapp 60 Straßenkilometer nördlich von Lichtenfels an der Frankenwaldbahn gelegen, war nach dem Zweiten Weltkrieg Grenzbahnhof zur DR und damit zum Gebiet der DDR. Das Doppel „Ludwigsstadt-Probstzella“ war für viele Interzonenzug-Reisende Inbegriff von Grenzerfahrungen, von denen man heute lieber nicht mehr spricht. Die dortigen Eisenbahnfreunde hatten eine schöne Spur1-Anlage in einem freien Stil, aber separat auch Motive z.B. der Trogenbach-Brücke, die quer über den Frankenwaldort im Tal verläuft, quasi neben dem Kirchturm verlief die Gitterbrücke vom Steinviadukt kommend. (Kann man googlen!). Mit der Vereinsaufklösung vor Jahren kamen – ähnlich wie bei der jüngst in unseren Kreisen eingetroffenen Canisius.-Anlage – siehe eigener Artikel – die verbliebenen Schätze der Ludwigsstädter nach LIF, und so pflegen sie nun die Lichtenfelser und planen auch insofern eine historische Aufarbeitung des Themas, die einmal sogar quasi museal ausstellungstauglich sein soll.

Im Obergeschoß der neuen Modellbahnhalle konnten wir gar nicht anders, als erneut ins Staunen zu verfallen, hatte doch dort die Modellbahnjugend viel Raum und Platz zur Verwirklichung einer eigenen Märklin-C-Gleis-Anlage gefunden. Und auch zwei experimentelle Visionsanlagen durften wir dort bestaunen: eine in offener Bauweise (quasi im Grundgerüst) zu sehende H0-Anlage mit dem Motiv des Hamburger Dammtor-Bahnhofs, mitsamt großen offenen Gleiswendeln und „Schattenbahnhöfen ohne Schatten“, nahm hier doch wieder etliche Meter Raumlänge ein. Im Gegenüber dazu der Beginn einer im Architektenstil gehaltenen etwas kleineren N-Anlage ausschließlich mit weißen Architekturbauelementen, auf die die Gleisstrassen erst noch verlegt werden müssen; auch die Landschaft und Bebauung wird nur architektonisch durche weiße geometrische Körper angedeutet – sehr interessant! Dass die Jugend in jenem großen Raum auch noch Platz für eigene Werkbänke und Arbeitsplätze findet, rundet eigentlich nur den Eindruck eines lebendigen, vitalen und trotz 41 Bestandsjahren wirklich jungen Vereins bestens ab. Alte Hasen und junge Leute Hand in Hand – so wünscht man sich das doch für einen Verein mit Zukunft.

Wir sind dankbar für die Eindrücke die wir gewinnen konnten, für viel Input den wir mitnehmen. Anregungen, Geistesblitze, Ideen für unser eigenes Vereinsleben und Vereinsräume… Ja: viele Reize wurden gesetzt. (Und die Anstrengungen der Anfahrt – siehe andernorts zu lesen – haben sich wirklich gelohnt, so der einheliige Tenor unserer Ausflugsgruppe)

Abgerundet wurde alles bei einer guten Tasse Kaffee und leckerem selbstgebackenen Kuchen – eine einmalige Atmosphäre von Geseligkeit, Austausch und Gastfreundschaft. Dafür sind wir den Lichtenfelsern (zumal unter den gegebenen erschwerten Verspätungsbedingungen) sehr dankbar und freuen uns, hier wirklich Hobbykameraden vom Feinsten getroffen zu haben. Möge diese Kameradschaft und die Verbindung unserer beiden Clubs bestehen bleiben udn vertieft werden.

Unser Vorstand Hans Sieger hat jedenfalls selbstverständlich die Gegeneinladung ausgesprochen; vielleicht klappts zu unserem Vereinsjubiläum im Herbst? Wir freuen uns auf ein Wiedersehen…

Ach ja: habe ich erwähnt, dass selbst im Cafe-Stüberl, dem fensterreichen schönen „Vereinszimmer“ im 2. OG, natürlich auch „die Bahn“ fährt? Und zwar über den Köpfen. Stabil abgehängt unter der Decke befindet sich ein Rundkurs auf Plexiglastrassen mit Spur1-Gleisen und Zügen die über einen Simulations-Führerstand mitsamt großem Monitor gesteuert werden an der Raumseitenwand! Ja was ist das denn? – Einige unserer Ausflügler haben ihre Lokführertauglichkeit an diesem Führerstand bewiesen und erfolgreich Züge über die Köpfe hinweg rundherum gesteuert – auch dies für uns eine gänzliche neue Erfahrung des Erlebnisses „Modellbahn“.

Danke, Lichtenfels. Alles Gute und auf bald!

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